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Burgdorf, Schweiz

Komponistinnen Teil 4- Wilhelmine von Preussen oder wie Adlige Frauen ihren Status zu nutzen wussten

Aktualisiert: 9. Apr. 2021


Rückblick


Letzte Woche lernten wir die erste Opernkomponistin Frankreichs kennen: Elisabeth Claude de La Guerre.

In Deutschland gab es fast zur gleichen Zeit auch eine Frau, die nachweislich das erste Singspiel/ Oper schrieb, das 1642 mit dem Titel "Neu erfundenes Friedens Spiel genandt Friedens Sieg" erschien. 1648 wurde es anlässlich zum Ende des 30-jährigen Krieges gedruckt. Sie war Schülerin von keinem geringeren als Schütz: Sophie Elisabeth von Braunschweig.

Viele Komponistinnen, die wir bis heute kennen, gehören dem Adel an. Das hat vielerlei Gründe. Der eine ist, dass unverheiratete Musikerinnen, schon seit der Antike, Gefahr liefen oftmals der Prostitution zugeschrieben zu werden.

Ein anderer Grund ist, dass den Sprösslingen des Adels eine fundierte Ausbildung zu Teil wurde, die oftmals auch Musik beinhaltete, so dass sich entsprechende Talente herauskristallisieren konnten.

Allerdings waren die Frauen des Adels in ihrer Autonomie sehr stark abhängig vom Willen ihres Ehemanns, Bruders oder Vaters. In Deutschland kam für sie erschwerend hinzu, dass sie erbmässig sehr benachteiligt wurden. Bei der Heirat mussten sie eine Verzichtserklärung unterzeichnen, was sich bei vielen von ihnen finanziell stark bemerkbar machte und nachteilig auswirke.

So auch bei unserer heutigen Komponistin Wilhelmine von Preussen, später Wilhelmine von Bayreuth.


Berlin um 1709 -frühe Kindheitsjahre


Am 3. Juli 1709 erblickte Wilhelmine von Preussen in Berlin das Licht der Welt. Sie war das älteste überlebende Kind vom "Soldatenkönig" Friedrich Wilhelm dem I. und seiner Frau Sophie Dorothea von Hannover.

Friedrich Wilhelm I. führte ein spartanisches Regime am Hof in Berlin. Früh schon war Wilhelmine Spielball des europäisch-politischen Parketts. Sie wurde englisch erzogen in Vorbereitung auf eine Heirat mit dem Englischen-Adel, dem ihre Mutter entstammte, die die Tochter von König Georg I. von England war. Die Mutter fühlte sich kulturell immer zu ihrer Englischen Heimat hingezogen, während der Vater sich lieber in Richtung Habsburg orientierte. Dieser Zwiespalt zeigt sich auch in der "Verlobungsgeschichte" von Wilhelmine wieder:

Mit acht Jahren wurde sie mit ihrem Cousin Friedrich Ludwig von Hannover, dem Herzog von Gloucester und 15. Prince of Wales verlobt. Diese Verlobung wurde sehr kurzfristig vor der Verlobung und der darauffolgenden Hochzeit mit dem Bayreuther Markgrafenprinzen Friedrich aufgehoben.

Schlimm genug, dass sich die Eltern nicht einigen konnten, doch noch schlimmer, dass die Kinderfrau Wilhelmine misshandelte. Sie wurde von Letti regelrecht traktiert, bis sie mit einer schweren Gallenkolik zusammenbrach. An der daraus folgenden Gelbsucht laborierte sie noch viele Monate. Doch scheinbar hat niemand etwas von den Qualen, die das Kind durchlitt gemerkt. Erst als die Erzieherin des Prinzen der Königin steckte, dass wenn es so weitergehe, das Kind noch zum Krüppel geschlagen werde, wurde die Erzieherin Letti entfernt. 1721 kam Dorothea Luise von Wittenhorst-Sonsfeld, liebevoll Sonsine genannt an den Hof. Sie war eine begnadete, emphatische Pädagogin und blieb ihren Zöglingen bis zu ihrem Tod treu verbunden.


Musikalische Erziehung


Bereits mit 6 Jahren zeigte Wilhelmine aussergewöhnliches musisches Talent. Sie spielte Cembalo und tanzte. Auch ihr jüngerer Bruder, der Kornprinz, der später als Friedrich der Grosse in die Geschichte eingehen sollte, zeigte Begabung. Beide wurden in verschiedenen Instrumenten, in Kontrapunkt und Komposition ausgebildet. Damit setzte sich die Mutter über den Willen des Vaters hinweg, der die musikalische Ausbildung nicht guthiess, vor allem nicht beim Kronprinzen, den er mit aller härtester Strenge zu seinem Ebenbild formen wollte. Der König scheute nicht vor Massnahmen wie Stockschlägen, oder die Kinder an den Haaren durch den Raum zu schleifen zurück, was bis heute Historiker beschäftigt und schockiert.


Schicksalsjahr 1730 und Heirat und Umzug 1731 nach Bayreuth


Als die Zerwürfnisse in der Familie, speziell zwischen dem Kronprinzen und dem Vater immer schlimmer wurden, sah der Kronprinz nur noch einen Ausweg: Flucht. Er wurde erwischt und als "Deserteur" ins Gefängnis gesteckt. Wilhelmine, die eine sehr enge Bindung zu ihrem Bruder hatte wurde des Mitwissens im Deserteur-Komplott verdächtigt und ein Jahr lang isoliert in ihrem Gemach eingesperrt. Ihrem Bruder wurde der Kronprinzenproszess gemacht, der in ganz Europa für Schlagzeilen sorgte. Der König drohte den Geschwistern mit Folter und gar der Todesstrafe, vor der sie aber verschont blieben. Schlechter erging es dem dritten im Bunde Hans Hermann von Katte. Er wurde gegen den Willen des Kriegsgerichts enthauptet. Dies war nur möglich, weil der König von seinem Recht das Urteil als König im Alleingang einfach zu verschärften gebrauch machte. Dieser Vorgang und Alleingang wurde in ganz Europa heiss diskutiert.

Nun hatte der König auch die notwendigen Mittel in der Hand die Verlobung seiner Tochter mit dem Englischen Königshaus aufzulösen und sie mit Friedrich von Brandenburg-Bayreuth zu verheiraten.

Obwohl die Hochzeit arrangiert war, entwickelten Wilhelmine und Friedrich in den ersten Jahren ein liebevolles Verhältnis zueinander.

Nach der Hochzeit 1731 folgte 1732 der Umzug nach Bayreuth. Die Ankunft am dortigen Hof waren trotz der Bemühungen ihres Schwiegervaters, sie angemessen zu empfangen, für Wilhelmine erst mal eine Art Kulturschock. Es war alles viel einfacher als in Berlin. Sowohl die Bediensteten, die sie eher an Bauern erinnerten, als auch die eher dunklen Gemächer mit den teilweise abgenutzten Möbeln und die einfache Kost.


Bautätigkeiten und Regierungsgeschäfte


Nach dem Tod des Schwiegervaters nahm Wilhelmine gemeinsam mit ihrem Mann die Regierungsgeschäfte in Angriff.

Ihr Mann schenkte ihr zu ihrem 24. Geburtstag die Eremitage bei Bayreuth. Wilhelmine baute diese mit sehr viel Geschmack aus und schaffte so ein Kleinod, das bis in die heutige Zeit faszinierend und wunderschön ist. In der nähe des Ortes Wonnsee entstand ein Felsengarten, den Wilhelmine ebenfalls gestalten liess. Sie hatte auch grossen Anteil an der Mitwirkung des neuen Schlosses im Herzen von Bayreuth und gründete die Universität von Bayreuth 1754, die bis heute einen guten Ruf pflegt. Ein Höhepunkt ihres Schaffens bildet das Markgräfliche Opernhaus, das 1748 eingeweiht wurde anlässlich der Hochzeit ihrer Tochter.

Neben all der Bautätigkeit schrieb Wilhelmine unermüdlich an ihren Memoiren, an Theaterstücken, war als Schauspielerin tätig und arbeitete an zahlreichen Kompositionen.


Foto: Eigene Quelle


Musikalischen Schaffen


Wilhelmine war eine ausgezeichnete Cembalistin und Lautenistin. Sie liebte Musik über alles und komponierte sehr viele Opern, von der nur eine, "Argenore", erhalten geblieben ist.

1737 bekam sie die Intendantur der Hofmusik von ihrem Mann übertragen. Dies ermöglichte ihr sich mit grossem Elan um das Kulturelleleben am Bayreuther Hof zu kümmern. Sie etablierte die Italienische Oper, lud italienische Musiker- und Sängerensembles ein. Der Bayreuther Hof konnte sich rasch sowohl kulturell als auch intellektuell mit den grösseren Höfen wie Berlin oder Wien messen.

Im neu errichteten Markgräflichen Opernhaus wurde ihre eigene Oper "Argenore" uraufgeführt. Eine Oper im italienischen Stil.

In der Handlung von Argenore verarbeitet sie alle Intrigen am Königshaus. Sowohl das Libretto als auch die Musik stammen von ihr. Sie liess das Libretto jeweils ins Italienisch übersetzten. Wilhelmine schrieb noch weiter Opern, doch leider sind diese nicht erhalten.

Nach der Hochzeit ihrer Tochter 1748 folgte mit dem Besuch ihres Bruders Friedrich dem Grossen 1750 ein weiterer kultureller Höhepunkt. Nach 1750 begannen rege und kostbare Opernaufführungen in Bayreuth mit internationalen Künstlern. Das kulturelle Leben erblühte. Das zeigen auch die Korrespondenzen von Wilhelmine mit Zeitgenossen wie Voltaire.


Fotos: WJR


Wilhelmines Verdienste


Friedrich der Grosse und Wilhelmine sahen sich 1754 ein letztes Mal.

Wilhelmine starb am 14.10.1758. Am gleichen Tag erlitt ihr Bruder eine empfindliche Niederlage beim 7-Jährigen Krieg.

Wilhelmine führte einen regen Briefwechsel mit ihrem Lieblingsbruder Friedrich dem Grossen, der erhalten ist. Sie schrieb im Verlaufe ihres Lebens Memoiren, die viele Jahre nach ihrem Tod veröffentlich wurden, in denen sie ihre Kindheit und ihre Schicksalsschläge verarbeitete und uns so ein Zeitzeugnis hinterliess. Durch ihre Bautätigkeiten begründete sie den "Bayreuther-Barock" der bis heute zahlreiche Besucher nach Bayreuth lockt. Sie gründete die Universität in Bayreuth, die bis heute ein sehr wichtige Institution ist und sie brachte das Kulturelle und Intellektuelle Leben am Bayreuther Hof zur Blüte. Nicht zuletzt, weil sie selber eine begnadete Musikerin war und ihr Handwerk verstand.




Foto: Eigene Quelle



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